Sexualität und Epilepsie

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Sexualität und Epilepsie

Egal ob alt oder jung, gesund oder krank – Sexualität und das Bedürfnis nach körperlicher Nähe ist ein menschliches Grundbedürfnis. Gerade für Menschen mit Epilepsie ist Sex aber ein heikles Thema. Gerüchte, sexuelle Aktivität könne epileptische Anfälle auslösen oder das Anfallsrisiko erhöhen halten sich hartnäckig. Doch dem ist nicht so! Wir haben für Sie die Fakten zu Sex und Epilepsie recherchiert.

Sex und Epilepsie – Artikelübersicht:

Tatsächlich gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass Sexualität Krankheitsverläufe von Epileptikern negativ beeinflusst. Im Gegenteil – Sexualität wirkt sich bei von Epilepsie betroffenen genauso wie bei gesunden Menschen positiv auf das seelische und körperliche Wohlbefinden aus. Dennoch sind viele Epileptiker wenig oder gar nicht sexuell aktiv. Das ist schade, denn wenn man ein paar Grundregeln beachtet, sollten sich Sex und Epilepsie keinesfalls ausschliessen.

Epilepsie und sexuelles Verlangen

Wissenschaftliche Studien belegen immer wieder, dass Menschen, die an Epilepsie leiden, häufig Probleme beim Sex – oder sogar gar keinen Sex – haben. Ein bis zwei Drittel der Epileptiker geben an, kaum oder keine sexuelle Erfahrung zu haben. Als Gründe werden häufig „geringes Verlangen“ oder „verminderte sexuelle Potenz“ genannt. Passen Sex und Epilepsie also nicht zusammen?

Wenn man jedoch näher nachfragt, erkennt man sehr rasch, dass Sexualität bei Epileptikern angstbesetzt ist, und (auch) deshalb weniger ausgelebt wird. Das erscheint naheliegend, hat Sexualität doch etwas mit Hingabe, Vertrauen und „sich ausliefern“ zu tun. Doch genau dieser Kontrollverlust ist es ja, den Epileptiker im Falle eines epileptischen Anfalls besonders fürchten.

Wissenschaftlich belegt ist auch, dass die Entwicklung sexueller Bedürfnisse bei Epileptikern oft verzögert eintritt. Es gibt hier aber Unterschiede bezüglich der Art der Epilepsie: Menschen, die an einer Temporallappenepilepsie mit psychomotorischen Anfällen leiden, sind besonders anfällig für Störungen im Sexualbereich.

Viele Temporallappenepileptiker haben nach eigenen Angaben noch nie sexuelle Regungen verspürt. Ob das physiologische bedingt ist, oder mit der Verabreichung von Medikamenten zu tun hat, ist nicht hinreichend geklärt.

Hyposexualität, also mangelndes Interesse an Sexualität und geringe sexuelle Erregbarkeit, kommen bei allen Formen der Epilepsie vor. Und zwar wesentlich häufiger, als die hypersexuelle Symptomatik, bei der sexuell enthemmtes Verhalten auftritt. Dieses sexuelle Störung gibt es auch, allerdings nur sehr selten, bei Epileptikern.

Scham, Sex und Epilepsie

Hyposexualität, auf gut deutsch „keine Lust auf Sex“ hängt oft aber mehr mit der Einstellung zur Krankheit zusammen, als mit der Epilepsie selbst. Die Erfahrung des Kontrollverlusts – und nichts anderes ist ein epileptischer Anfall – beeinflusst das individuelle Körperbild Betroffener.

Selbst ein einziger schon lange zurückliegender epileptischer Anfall kann dazu führen, dass sich Epileptoker für ihren (damaligen) Kontrollverlust schämen und sich vor einer Wiederholung fürchten. Doch wer sich schämt und Angst hat, tut sich schwer, sich in seiner männlichen oder weiblichen Körperlichkeit anzunehmen und seine Sexualität auszuleben.

Viele Epileptiker schämen sich auch für ihre Krankheit – als ob sie etwas dafür könnten! Statt die Krankheit offensiv zu thematisieren, ziehen sich viele aus Scham immer mehr zurück. Doch dieser Versuch, jegliche Sozialkontakte – auch geschlechtlicher Natur – zu vermeiden, verhindert Erfahrungen und einen natürlichen Umgang mit Sexualität. Diese fehlenden Erlebnisse wirken sich erst recht wieder negativ auf das Selbstvertrauen aus, und eine negativ Spirale entsteht.

Ein wertvoller Tipp von Betroffenen, die es geschafft haben, aus diesem Teufelskreis auszubrechen: Reden & ehrlich sein! Offenheit und Vertrauen in einer Partnerschaft sind essentiell! Wer unsicher ist, wie er das Thema ansprechen soll – es gibt auch (Sexual-) Therapeuten, die auf das Thema „Sexualität und Epilepsie“ spezialisiert sind.

Wichtig ist es, dem (potentiellen) Partner vorab über die Krankheit zu informieren und ihm auch Handlungsanweisungen zu geben, was er tun soll, wenn es zu einem Anfall kommen sollte.

Fakt ist aber: Die Sorge, dass Anfälle durch Sex ausgelöst und während des Aktes auftreten, ist in der Regel unbegründet. Ausschliessen kann man es aber nicht – epileptische Anfälle halten sich eben an kein Drehbuch. Etwas häufiger kommt es jedoch in der dem Sex nachfolgenden Entspannungsphase zu Anfällen. Auch über diese Möglichkeit sollte der Sexualpartner selbstverständlich informiert sein.

Einfluss von antiepileptischen Medikamenten auf die sexuelle Aktivität

Antiepileptische Medikamente haben oft libidoverringernde Nebenwirkungen und beeinflussen auch die Potenz negativ. Verantwortlich dafür ist ein medikamentenbedingter rascher Abbau der Sexualhormone durch Enzyminduktion in der Leber. Neue Medikamente – enzyminduzierte Antiepileptika – könnten, wenn medizinisch indiziert, hier Abhilfe schaffen und „normales“ sexuelles Verlangen erlebbar machen.

Auch Barbiturate, die häufig zur Behandlung von Epileptikern eingesetzt werden, erhöhen die Menge an Transporteiweißen für Steroidhormone wodurch es im Blut zu einer Verringerung der freien, biologisch aktiven Hormone und vermindertem sexuellen Verlangen kommt.

Fazit: so wie die meisten Medikamente sich auf die sexuelle Lust und Potenz auswirken (können), haben auch antiepileptischen Medikamente für viele Patienten einen lustdämmenden Effekt.

Empfängnisverhütung bei Epilepsie

Vorweg: Die Pille kann zur Empfängnisverhütung nur eingeschränkt empfohlen werden. Antiepileptika, oder auch Antikonvulsiva, wie Medikamente für Epileptiker oft genannt werden, treten mit den meisten Anti-Baby-Pillen in Wechselwirkung und beeinflussen deren Wirksamkeit negativ. Sexuell aktive Frauen mit Epilepsie werden daher im Durchschnitt relativ öfter ungewollt schwanger und unterziehen sich auch häufiger einem Schwangerschaftsabbruch.

Betroffene sollten sich daher unbedingt mit ihrem Gynäkologen beraten. Mittlerweile gibt es auch spezielle Verhütungspräparate, die Epileptikerinnen empfohlen werden können. In jedem Fall sicherer ist aber (zusätzlich) die Verwendung einer „mechanischen“ Verhütungsmethode, wie Kondom oder Diaphragma um eine ungewollte Schwangerschaft zu vermeiden.

Good to know: Epilepsie ist keine Erbkrankheit im engeren Sinne. Erbliche Komponenten spielen aber eine gewisse Rolle und die Veranlagung zu einer erhöhten Anfallsbereitschaft kann vererbt werden.

Im Fall von Kinderwunsch sollten Sie sich daher mit ihrem Arzt beraten und alle Eventualitäten besprechen. Frauen die an Epilepsie leiden können natürlich (vaginal) entbinden. Manchmal raten Ärzte aber zu einer Geburtseinleitung bzw. einem Kaiserschnitt. Von einer Hausgeburt ist aus naheliegenden Gründen eher abzuraten.

Conclusio zu Sex und Epilepsie

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die immer noch weit verbreitete Ansicht, dass ein sexuell aktives Leben die Wahrscheinlichkeit von epileptischen Anfällen erhöht, wissenschaftlich nicht haltbar ist.

Ganz im Gegenteil – eine harmonische Partnerschaft, in der offen über die Krankheit gesprochen wird, und der Partner auch damit umzugehen lernt, wirkt sich positiv auf den Krankheitsverlauf aus.

Liebe, vertrauensvolle Partnerschaft und Sexualität stärken das seelische Gleichgewicht – auch von Epileptikern!

Last but not least: Wenn die Lust auf Sex nachlässt, kann das viele Gründe haben. Das gilt auch für von Epilepsie Betroffene! Denn neben den oben angeführten Gründen kann die nachlassende Lust auch ganz andere Ursachen haben. Probleme in der Partnerschaft, Stress und Überlastung gibt es schließlich nicht nur in Partnerschaften zwischen gesunden Menschen.

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Quellen:

¹ Epliepsiesociety: Sex & Relationship?
² Deutsche Epilepsievereinigung: Epilepsie und Sexualität
³ Deutsche Gesellschaft für Epileptopogie

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Linktipps

– Was ist eigentlich Epilepsie?
– Sex, Medizin, Gesundheit
– Der therapeutische Nutzen von CBD bei Epilepsie und Multipler Sklerose
– Sexstellungen bei besonderen Bedürfnissen
– Sexuelle Hemmungen
– Sexualität, Gesundheit & Wohlbefinden

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