Infektionsrisiko bei Oralsex – AIDS, Hepatitis, HPV?
Fellatio, Cunnilingus, 69 oder Anilingus – Sex mit dem Mund ist eine durchaus übliche Sexualpraktik und wird in unseren Breiten von der Mehrheit der Bevölkerung praktiziert. So haben immerhin bereits 66 Prozent der Frauen Cunnilingus – die orale Stimulierung des weiblichen Genitals – empfangen. Und bei 69 Prozent der Männer wurde bereits Fellatio – die orale Stimulierung des männlichen Genitals – praktiziert. Doch wie sicher ist oraler Sex und wie verhält sich das Infektionsrisiko im Vergleich zu anderen Sexualpraktiken?
Infektionsrisiko bei Oralsex – Artikelübersicht:
Im Vergleich zu vaginalem und analem Sex gilt oraler Sex hinsichtlich gesundheitlicher Risiken als vergleichsweise ’sicher‘. Doch ‚geringeres Risiko‘ heißt eben noch lange nicht ‚kein Risiko‘ und so sollte man sich, vor allem wenn man wechselnde Geschlechtspartner hat, auch bei Oralsex schützen.
Während der Schutz bei Fellatio recht einfach ist – Kondome gibt es nicht nur in verschiedenen Stärken, sondern auch in verschiedenen Geschmacksrichtungen – ist das Wissen um die Möglichkeit des Schutzes für den Mann beim Cunnilingus nicht sehr weit verbreitet.
Dental Dams, auch als Lecktücher bekannt, sind Folien, die beim oralen Sex auf die Vagina der Frau oder den Anus des Sexpartners gelegt werden, um so das Eindringen von krankheitsauslösenden Keimen in den Mund zu verhindern. Doch vor welchen Keimen gilt es überhaupt sich zu schützen? Welche Krankheiten können durch Oralsex übertragen werden? Und gibt es unterschiedliche Infektionsrisiken bei Männern und Frauen?
Bekannte Infektionsrisiken
AIDS/HIV
Bei heterosexuellen Paaren ist das Ansteckungsrisiko der Frau wesentlich höher als das des Mannes; der rezeptive, also der empfangende Part – in diesem Fall die Frau, die den Penis in den Mund nimmt – trägt das höhere Risiko.
HI-Viren sind vor allem in der Samenflüssigkeit und im Blut, in geringem Ausmaß aber auch im Speichel enthalten, weshalb es auch bei lesbischen Paaren zu einer Infektion kommen kann. Wer Verletzungen im Mund hat, eine Pilzinfektion oder eine Zahnfleischerkrankung, erhöht das Ansteckungsrisiko zusätzlich und sollte keinen ungeschützten Oralsex praktizieren.
Bei der Fellatio sollte man darauf achten, das Ejakulat möglichst kurz im Mund zu behalten um sich vor AIDS zu schützen – rasches Ausspucken aber auch Schlucken sind Methoden der Risikominimierung. Schlucken deshalb, weil aufgrund der chemischen Zusammensetzung des Magen- und Verdauungstrakts das HI-Virus sehr rasch inaktiv wird.
Chlamydien Infektion, Tripper und Syphilis
Chlamydien (Chlamydia trachomatis Keime) sind nicht nur in der Genitalgegend sondern auch im Rachenraum von Männern und Frauen nachweisbar – eine Übertragung durch Fellatio und Cunnilingus ist also durchaus möglich. Diese Keime verursachen bei Männern Harnwegsinfekte und können bei Frauen zur Unfruchtbarkeit führen.
Auch Tripper (Gonorrhoe) kann bei Oralsex übertragen werden, wobei eine Gonorrhoe des Mund- und Rachenraums in den meisten Fällen tückischerweise keine Beschwerden verursacht (nur in 15% der Fälle treten Halsschmerzen auf), eine Ansteckung des Partners kann bei der französischen Liebe – wie diese Sexualpraktik auch bezeichnet wird – also sehr leicht erfolgen.
Auch Syphilis kann über den Speichel erfolgen. Hauptübertragungswege der Syphilis-Infektion sind: Vaginal-, Anal- und Oralsex ohne Kondom, wobei die Krankheit bei Syphilis-Geschwüren im Mundraum auch durch Küssen weitergegeben werden kann.
Können Fieberblasen auch Genitalherpes auslösen?
Lippenherpes wird durch das Herpes-Simplex-Virus 1 (HSV-1) hervorgerufen, und Genitalherpes durch das seltenere Herpes-Simplex-Virus 2 (HSV-2), doch die beiden Virentypen sind sich ziemlich ähnlich. Deshalb ist es durchaus möglich, die Lippenherpesviren durch Oralsex auch in den Intimbereich zu übertragen. Herpes Genitales hat nicht zuletzt deshalb in den letzten Jahren auch so stark zugenommen, weil sich die sexuellen Vorlieben verändern und Oralsex heute zum Standardrepertoire vieler Paare zählt.
Krebs durch Cunnilingus?
Erinnern sie sich noch an die Aufregung rund um die Aussagen des Hollywoodstars Michael Douglas zu seiner Krebserkrankung? Er meinte in einem Gespräch, dass der Oralsex mit häufig wechselnden Sexualpartnerinnen Auslöser seiner Kehlkopfkrebserkrankung war: „Ohne zu speziell werden zu wollen, dieser bestimmte Krebs wird von HPV verursacht, die tatsächlich beim Cunnilingus übertragen werden“, sagte der Schauspieler im Interview.
Die Abkürzung HPV steht für Humane Papillomaviren, die Entzündungen sowie gut-, aber auch bösartige Tumore der Haut und Schleimhäute auslösen können. Die Viren sind weit verbreitet, es gibt über 120 verschiedene Typen, 40 davon sind verantwortlich für Geschlechtserkrankungen und werden durch Genital-, Anal- oder Oralverkehr übertragen.
Die meisten sexuell aktiven Menschen – Männer ebenso wie Frauen – infizieren sich im Lauf ihres Lebens mindestens einmal damit. Meist verläuft eine Infektion mit HPV unbemerkt und heilt auch wieder von selbst. Aber das Krankheitsbild weist neben den Niedrigrisiko-Typen, die Feigwarzen (Kondylome) hervorrufen, auch Hochrisiko-Typen, die Tumore verursachen können, auf. Etwa jede zehnte HPV-Infektion heilt nach Angaben des Robert Koch-Instituts in Berlin nicht ab und wird chronisch.
Bei Frauen liegt das Risiko für die Entstehung von Krebsvorstufen dann bei 40 Prozent und von den Frauen mit mäßigen bis schweren Vorstufen wiederum entwickeln 20 bis 30 Prozent in den folgenden 5 bis 10 Jahren Gebärmutterhalskrebs. Doch auch Männer sind gefährdet: Zwar entstehen bösartige Tumore durch HPV bei diesen deutlich seltener, ein Peniskarzinom kann sich aber ebenso entwickeln wie ein Analkarzinom.
Und wer Oralverkehr mit einem infizierten Partner hat, bei dem können sich die Viren auch im Mundraum ansiedeln und dann tatsächlich zu Mund- oder Rachenkrebs führen.
Pilzinfektion durch ungeschützten Oralsex
Ungeschützter Oralsex kann auch Pilze übertragen: Frauen, die sich trotz Benützung eines Kondoms beim Geschlechtsverkehr immer wieder Pilzinfektionen zuziehen, sollten bedenken, dass auch ungeschützter Oralsex eine Ursache dafür sein kann.
Zwar befinden sich im Mund deutlich weniger Keime, als in der Vagina, doch können auch Cunnilingus und Fellatio die Ursache dafür sein, dass sich Paare gegenseitig immer wieder mit Scheidenpilz infizieren.
Wie kann man das Infektionsrisiko bei Oralsex senken?
Traurig aber wahr: Die einzige Maßnahme, durch die eine Infektion über Oralsex hundertprozentig verhindert werden kann, ist der Verzicht auf diese Variante des Liebesspiels. Wer aber in einer dauerhaften Partnerschaft monogam lebt kann sich das Vergnügen der französischen Liebe schon gönnen.
Schließlich soll man nicht aus den Augen verlieren, dass das Übertragungsrisiko bei Oralsex – zumindest wenn man die wesentlichsten Richtlinien beachtet – geringer ist als bei vaginalem oder analem Geschlechtsverkehr.
Die wichtigste Richtlinie: Kein Blowjob bei Verletzungen im Mund- und Rachen-, sowie im Genitalbereich. Die zweitwichtigste Richtlinie: Auch Oralsex ist Sex und sollte nicht ungeschützt ausgeübt werden. Kondome und Dental Dams schützen weitgehend und können ein allfälliges Infektionsrisiko jedenfalls rapide senken.
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Quellen:
¹ www.aids.ch
² Oral HPV infection (New England Journal of Medicine, Bd. 356, S. 1944)
[abo]
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