Musik & Sex – erotischer Ohrenschmaus

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Musik als Lustfaktor

Sex und Musik sind zu den tragenden Säulen der Populärkultur geworden. Eine Tatsache, die durch die astronomischen Umsätze der Musikindustrie belegt ist. Ein Blick auf einen der TV-Musikkanäle genügt um zu wissen, dass die Plattitüde „sex sells“ mehr denn je Gültigkeit hat. Doch welchen individuellen Stellenwert hat die erotische Komponente der Musik tatsächlich bei seinen KonsumentInnen? Gibt es den Lustfaktor Musik tatsächlich?

Ob es nun die industriellen Beats des Techno sind, die fetten Beats des Hip-Hop, oder aber die schwülen Sounds des R’n’B bzw. Soul – immer mehr Leute schwören angeblich auf die stimulierende Wirkung von Musik. Betrachtet man die Entwicklung der Industrie im Bereich der Unterhaltungsmusik, liegt die Vermutung nahe, dass da tatsächlich was dran ist.

Das Motto der Marketingabteilungen lautet: Wir wollen den Leib, nicht die Seele der KonsumentInnen! Dies bedeutet für die Qualität zumeist nichts gutes, dann nämlich wenn die Hülle, nicht der Inhalt zum Verkaufsargument werden. Garantie für Qualitätsverlust ist aber auch diese Entwicklung nicht, denn der ungebremste Erfolg der Populärmusik seit den 1950er Jahren war von Anfang an untrennbar mit Sexualität und Revolte verbunden. Was aber wirkt erotisch in der Musik, wann, vor allem aber, warum?

C’mon everybody – Sex & Rock ’n‘ Roll

Ein kleiner geschichtlicher Exkurs: Die Themen Liebe, Körperlichkeit und Sexualität haben immer schon eine große Bedeutung in der Popmusik gehabt. Die Behandlung dieser Themen ist im Laufe der Zeit von seiten der Musiker aber in höchstem Maße unterschiedlich verlaufen.

Am Anfang der Popmusik waren es die sexuell-anrüchig kreisenden Hüften eines Elvis Presley, die anzüglichen Kraftauftritte eines Jerry Lee Lewis, oder die verheißungsvollen, eindeutigen Gesten eines Little Richard, die Millionen pubertierender Jugendlicher zu erotischen Fantasien anregten. Doch schon bald wurde die Sexualität – bisher nur in Metaphern angedeutet – explizit.

„Es entwickelte sich eine Generation von jungen Weißen mit einer neuen, weniger repressiven Einstellung zu Sexualität und zur Lust“, schrieb Tom Hayden, einer der Chefideologen der amerikanischen Studentenbewegung der 1960er Jahre, „und das Mittel zu ihrer Befreiung war die Musik“.

Die Beatmusik war die große Erlösung nach den vielen tröstlichen Balladen. Deswegen waren Bands wie die Rolling Stones, mit ihrer anti-romantischen Haltung und der Betonung der dunklen Aspekte der Lust, auch derart anziehend. Der Rest ist (bekannte) Geschichte – Populärmusik als Teil der Jugendkultur ebnete mit ihren tabubrechenden Inhalten den Weg zur Sexuellen Revolution.

Slave to the Rhythm – Lustfaktor Musik

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Musik das Lustempfinden steigern kann, warum sie diese Fähigkeit besitzt, welche Auslöser sie dabei bei Menschen betätigt, ist allerdings weitgehnd unbekannt und deshalb auch Gegenstand heftiger Spekulationen.

„Der Mensch ist in seinen Erhaltungstrieben von Lust und Unlust und von Spannungs- und Lösungszuständen getrieben, die auch in der Musik zum Ausdruck gebracht werden. Es entwickelte sich in der Musikgeschichte eine musikalische Form, Spannung aufzubauen, sie zu halten und erst am Ende aufzulösen, die der Entstehung und den Phasen sexueller Erregung des Menschen sehr nahe kommt.

Allerdings ist die Interpretation jeglicher Musik und die von Spannung und Lösung sowohl kulturell als auch subjektiv sehr unterschiedlich.“²

Funktioniert Sexualität über die Texte, die Musik oder die Interpreten?

Untersuchungen haben ergeben, dass der Genuß von bestimmten Popsongs auf viele Personen erotisch stimulierend wirkt. In den USA laufen zur Zeit einige Projekte, die die Ursache der erotischen Wirkung in der Popmusik empirisch erfassen sollen. Bisher gibt es nur Vermutungen welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. So gilt es auch bei der erotischen Stimulanz zwischen Männern und Frauen zu unterscheiden.

Daß Frauen zum Beispiel nur durch eine erotische Männerstimme zu erregen sind, oder Männer nur auf weiblichen Gesang reflektieren, scheint zu trivial. Tatsächlich dürfte es auch eine geschlechtsunabhängige Komponente der erotischen Wirkung der Musik geben. Dabei dürfte weniger der Gesang alleine, als die Gesamtstimmung, die von einer Nummer ausgeht, entscheidend sein.

Das Geheimnis der erotischen Stimulanz gewisser Songs dürfte in den meisten Fällen das gleiche sein: Eine besondere Kombination von gewissen Rhythmen, die möglicherweise Assoziationen zum Geschlechtsakt erzeugen können, und der bewußte Einsatz melancholischer Dur/Moll-Akzente durch Stimme und musikalischen Hintergrund.

Oft wirken aber auch die harten Rhythmen moderner Tanzmusik stimulierend auf ihre Rezipienten. Das Bedürfnis nach Ergründung des eigenen Körpers und damit das Erfahren der eigenen Sexualität, wird oft durch den Tanz befriedigt. „Die Tanzwut der Teenager in der Hochblüte des Rock ’n‘ Roll beweist, wie explosiv die ostinate Rhythmik der Musik der Schwarzen auf die Jugendlichen wirkte.“ (aus R.Flender/H.Rauhe – POPMUSIK Darmstadt 1989 S.83)

Der Zusammenhang von Tanz und sexueller Stimulanz ist durchaus nicht verwunderlich, sondern vielmehr wissenschaftlich erklärbar. „Rockmusik wird nicht zum zuhören gemacht und auch nicht zum Träumen, sondern zur Bewußtseinsveränderung meist ekstatischer Prägung. Bei der Ekstase spielen Tanz und Rauschmittel neben einer lautstarken Musik eine wesentliche Rolle. Der Rhythmus übernimmt hier die Funktion eines Antriebsfördernden Elementes, das eine Überstimulanz des Muskeltonus erzeugt;

Zentralem Stellenwert kommt in der musikalischen Praxis der Reizwirkung des Trommelschlages auf das zentrale Nervensystem und die elektrischen Gehirnströme zu. Die lebenswichtigen Funktionen unseres Körpers: Herzschlag, Atem und Gehirnströme sind alle einem Rhythmus unterworfen. Musikalische Rhythmen, die sich in Analogie zu den Körperrhythmen befinden, können diese beeinflußen.“ (aus R.Flender/H.Rauhe – POPMUSIK Darmstadt 1989 S.81-82)

Im Zustand höchster körperlicher Erregung, gleichgültig ob diese Erregung durch musikalische Ekstase oder etwa durch sexuelle Stimulanz hervorgerufen wird, schüttet der Körper sogenannte Endorphine aus. Diese endogenen Morphine haben eine opiatartige Wirkung und modulieren die Auseinandersetzung des Menschen mit der Umwelt (sie wirken unter anderem auch schmerzregulierend und dämpfen ebenfalls schmerzbedingte Begleitreaktionen)². Diese Paralellität verbindet Tanz und Sexualität und wird oft unter Anwendung von Musik in Ekstasetechniken verwendet. ²(Quelle: Norbert Boss – ROCHE LEXIKON MEDIZIN München 1987)

Eine wesentliche Ursache für den Erfolg der Popmusik im Zusammenhang mit Sexualität und Erotik, dürfte an der Tatsache liegen, dass die erfolgreichsten Stilelemente der verschiedensten Richtungen, sei es aus der europäischen Volksmusik, der lateinamerikanischen Tanzmusik (Tango, Samba,… usw.), wie aus der ethischen afroamerikanischen Musik (z.B. dem Blues) ganz einfach ‚zusammengestohlen‘, und zu einem neuartigen Konglomerat vermischt wurden.

Man denke nur an die geballte Kraft der Ursprünglichkeit einer Bluesnummer wie z.B ‚Manish boy‘ von Muddy Waters, die ganz und gar ohne jegliche musikimmanenten Spielereien auskommt und trotzdem, oder gerade deswegen, mit einer Aussagekraft besticht, der man sich nur schwer entziehen kann.

Soundtrack fürs Bett

Musik zum Sex ist weit verbreitet und in diversen Internetforen Gegenstand leidenschaftlicher Diskussionen. Welcher Song bringt die Hormone in Wallungen, welcher wirkt abtörnend. Die Industrie hat ihre Vorstellungen davon anfangs zwar verschämt – quasi in Blümchensex-Manier – in Form unzähliger „Kuschelrock“-Alben abgegeben, bediente sich damit aber natürlich gerne und schamlos am gewaltigen finanziellen Kuchen.

Mittlerweile werden angesicht der gigantischen potenziellen Gewinne aber sogar im prüden Amerika etwaige moralische Bedenken gänzlich über Board geworfen. Stars, wie der Westcoast-Rapper Snoop Dog produzieren erfolgreich Pornofilme und liefern den dazupassenden Soundtrack gleich nach. Pornodarstellerinnen wie Jenna Jameson umgekehrt, wechseln mühelos die Seite und steigen zu regelrechten Promi-Stars in der Unterhaltungsindustrie auf.

Jedenfalls gibt es mittlerweile beinahe schon eine Best-Of-Auswahl für’s Bett und alle besonderen Vorlieben von zart bis hart:

Soll es wild und hemmungslos werden, greifen viele zu einem Mittel, mit denen DJs auch die Leute in den Clubs zum Tanzen bringen: zu Techno, Trance und House-Musik. Der Rhythmus ist unkompliziert, geht sofort ins Blut. Dazu hat Elektromusik den Vorteil: Sie legt keine bestimmte Stimmung fest und ist dadurch emotional unverbindlicher.

Ebenso unverbindlich dazu noch mit einigen wunderbar relaxten Passagen zum Kuscheln ausgestattet, sind Lounge- oder Chillout-CDs.

Muss die Sache erst ein bisschen ins Rollen gebracht werden, kommt man an den Verführungskünsten von sexy Soulbarden wie Marvin Gaye (Sexual Healing !!), Al Green oder Barry White nicht vorbei.

Nicht wenige schwören auf die sonnig-relaxte Wirkung von Reggae-Musik. Die meisten jedoch bevorzugen aktuelle oder klassische Pop-Hits — von Sade bis Nelly. Letzterer schuf mit My Place sogar eine echte Beischlaf-Hymne und befand über sein Album „Suit“: „Im Schlafzimmer ist es gut aufgehoben.“

Was aber ist nun ein richtiger Antörner?

Ob eine bestimmte Musik, Lustbringer oder Lustkiller ist, hängt von Stimmung, Situation und nicht zuletzt von dem ab, der sie auflegt. Was einen vor einer Woche noch in exstatische Höhen getrieben hat, kann einem heute einfach nur lächerlich vorkommen. Wir haben dennoch der Versuchung einer „Best of“-Liste nicht widerstehen können ….

Heiße Scheiben – eine subjektive Auswahl

(weitere Infos durch anklicken!)

Big Calm – Morcheeba
Je t’aime – Jane Birkin & Serge Gainsbourg
Justify My Love – Madonna
Riding Ma Pony – Genuwine
Sexual Healing – Marvin Gaye
Get off – Prince
Extreme Ways – Moby
In the air tonight – Phil Collins
The Race – Yello
Lovesexy – Prince
French Kiss – Lil Louis
Push it – Salt ’n‘ Peppa
Tour de France – Kraftwerk
Shoot Your Shot – Divine
Manish Boy – Muddy Waters
Cry Baby – Janis Choplin
Why don’t we do it in the Road – Beatles

Tainted Love – Soft Cell

Rites – Jan Garbarek

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Quellen:

¹ Die Ästhetik der Populärmusik, Funktion & Wirkung eines ökonomischen Massenphänomens (Kave Atefie; WU Wien 1999)
² Musik und Erotik (Werner Jauk)

Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com

Linktipps

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