Hypersexualität – das Don Juan Syndrom
Es scheint vor allem bei Prominenten stark vertreten zu sein: Tiger Woods, George Michael, Michael Douglas – sie alle leiden oder litten unter Hypersexualität, besser bekannt als Sexsucht oder Don Juan Syndrom. Suchtforscher und Psychiater sind sich allerdings nicht einig darüber, ob es sich beim gesteigerten sexuellen Verlangen tatsächlich um eine Suchterkrankung oder bloß um eine Obsession handelt.
Egal ob prominente Schauspieler wie Billy Bob Thornton, David Duchovny oder Charlie Sheen – häufig geraten Männer wegen ihrer zahlreichen Affären und Seitensprünge mit der Diagnose „Sexsucht“ in die Schlagzeilen. Tatsächlich dürften etwa drei Viertel der von Sexsucht Betroffenen Männer sein. Nymphomanie – wie das exzessive Sexualverlangen bei Frauen genannt wird – kommt vergleichsweise selten vor. Schätzungen gehen davon aus, dass insgesamt zwei bis drei Prozent der Bevölkerung in Europa unter Sexsucht leiden.
Von Sexsucht spricht man, wenn ein übermäßig gesteigerter, das gesamte Denken und Verhalten beeinflussender Geschlechtstrieb beim Patienten vorhanden ist. Das Problem der Abgrenzung zu gesteigertem Lustverhalten ohne krankhafte Dimension ist in diesem Zusammenhang besonders evident. Zwar qualifiziert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Sexsucht (die klassischen geschlechtsspezifischen Bezeichnungen sind Don-Juan-Syndrom und eben Nymphomanie) als sexuelle Funktionsstörung, die nicht durch eine organische Störung oder Krankheit verursacht wird. Doch allein die Bezeichnung Sexsucht ist umstritten und wird in jüngster Vergangenheit zunehmend durch die Bezeichnung Hypersexualität ersetzt.
Sexualforscher sind nämlich uneins, ob es so etwas wie Sexsucht tatsächlich gibt, zumal eine Quantifizierung von sexuellen Handlungsweisen als alleinige Grundlage für eine Normierung des Sexualverhaltens problematisch erscheint. Denn wie oft und wie lange ein Mensch in einer definierten Zeitspanne sexuell aktiv sein darf, um damit ein noch normales Sexualverhalten an den Tag zu legen, ist mit solchen Angaben alleine nach Meinung einiger Sexualwissenschafter nicht immer zu bestimmen.
Im Spannungsfeld von Medizin & Moral
Wie bei Spielsucht und Kaufsucht, handelt es sich bei Sexsucht um eine Verhaltenssucht, also eine Form der nicht stoffgebundenen Süchte. Viele Psychiater sehen diese Einteilung allerdings kritisch, da dabei unterstellt wird, dass es ein richtiges Maß von Sex gäbe, die Einteilung also auf Grundlagen der Sexualmoral erfolgt.
Sexualforscher halten dem entgegen, dass bei Betroffenen eindeutige Verhaltensmuster erkennbar sind, mit für Suchtprozesse üblicher Entwicklung: gesteigertes Interesse, hohe persönliche Aufmerksamkeit und Energie für das süchtige Verhalten, Toleranzentwicklung, Dosissteigerung, Entzugssymptome (psychisch), zunehmendes Kreisen um Sexualität und Lust, Kontrollverlust, Schuldgefühle und drohender oder tatsächlicher Zusammenbruch.¹
Betroffenen ist es in den meisten Fällen nicht möglich, tiefe Bindungen zu einem Partner aufzubauen, sodass es, wie es auch bei anderen Süchten evident wird, zu einem Kreislauf der Sucht kommt, dem die Abhängigen alleine nicht mehr entfliehen können. Nicht selten leiden Sexsüchtige daher unter weiteren Formen von Sucht, vor allem Alkohol- und Medikamentensucht.
Wie bei anderen Formen von Verhaltenssucht steigert sich Sexsucht allmählich und schränkt die betreffende Person langsam in allen Bereichen des Lebens ein. Die Symptome können allerdings sehr unterschiedlich sein und variieren auch nach Geschlecht. Während Männer ihre Sucht eher durch Masturbieren vor pornografischen Inhalten im Internet, beim Telefonsex oder bei Prostituierten stillen, dürften Frauen ihre gesteigerte Lust eher durch wechselnde Sexualkontakte mit mehreren Partnern ausleben.
Selbstcheck – Sexsucht
Folgende Kriterien können auf ein auffälliges sexuelles Verhalten hinweisen:
- Sex wird zum zentralen Lebensinhalt.
- Sexuelle Aktivitäten und Gedanken bestimmen über einen langen Zeitraum den Tagesablauf.
- Sex wird so wichtig, dass andere Interessen und Sozialkontakte vernachlässigt werden.
- Die Vernachlässigung von Familie und Beruf führt zu Partnerschaftsproblemen und/oder Jobverlust.
- Dennoch ist es nicht möglich, das Verhalten zu ändern.
Wird ein derart auffälliges Verhalten diagnostiziert, wird – je nach Begleitsymptomen – eine Psychotherpie mit oder ohne begleitender Medikamentengabe empfohlen. Das Ziel dabei: Lust nicht mehr als Last zu empfinden und dadurch Sexualität wieder ursprünglich erleben zu können.
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Quelle:
¹ Süchtiges sexuelles Verhalten, Bernhard Mäulen – Schriftenreihe der DGDS e.V. Band 3 Suchtmedizin
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